Grounded Theory - einfach erklärt!

Grounded Theory einfach erklärt

Grounded Theory ist ein Verfahren zur qualitativen Datenauswertung im Bereich der empirischen Forschung. Das Ziel dieser Methode ist, durch die Sammlung und Analyse qualitativer Daten neue Theorien zu entwickeln. Dieser Artikel bietet eine Schritt für Schritt Anleitung für die Durchführung einer solchen Analyse.

➡️ Mehr dazu: Was ist empirische Forschung?

Was ist Grounded Theory?

Qualitative Studien werden oft dafür kritisiert, dass sie nicht nachvollziehbar, nicht überprüfbar, und subjektiv verzerrt sind. Der subjektive Interpretationsraum gilt dann oft als Argument, warum qualitative Studien im Vergleich zu quantitativen Studien als weniger wissenschaftlich wertvoll eingestuft werden. Jedoch wurden dafür qualitative Verfahren entwickelt, die stark regelgeleitet und strukturiert sind, um dieses Argument zu entkräftigen. Eines dieser Verfahren ist zum Beispiel die Grounded Theory, ein anderes die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring.

Definition Grounded Theory

Die Grounded Theory, auch “gegenstandsbezogene Theoriebildung”, ist eine Methode bei der durch schrittweise Interpretation von Texten oder Situationen Theorien gebildet werden. Das Auswertungsverfahren der Grounded Theory heißt theoretisches Kodieren.

Beim theoretischen Kodieren werden einzelnen Elementen des zu interpretierenden Texts bestimmte Codes zugeordnet. Am Anfang können das zum Beispiel wiederholt auftretende Wörter sein. Aus denen werden dann Kategorien, und in weiterer Folge Konzepte abgeleitet. Analysieren und Sammeln von Daten wechseln sich so lange ab, bis neue Auswertungen keine neuen Erkenntnisse mehr bringen. Die Grounded Theory ist der qualitativen Inhaltsanalyse daher recht ähnlich.

Die Schritte der Grounded Theory

Das Kodieren in der Grounded Theory besteht aus drei Schritten. Bevor das Kodieren beginnt, muss Vorarbeit geleistet werden. Zuerst muss der Forschungsgegenstand identifiziert und definiert werden. Dann werden Daten gesammelt. Hierfür gibt es im Prinzip keine Einschränkungen. Das könnte zum Beispiel das Führen eines Interviews mit anschließender Transkription des Interviews sein. Erst dann beginnen die einzelnen Schritte des Kodierens des Interview-Transkripts.

1. Offenes Kodieren

Im ersten Schritt wird das gesamte Datenmaterial in einzelne Sinneinheiten zergliedert und mit Codes (bzw. Begriffen) versehen. Das passiert meist nur mit wichtigen Textteilen, da der Aufwand für den gesamten Text oft zu groß wäre. Es entstehen hier oft hunderte Codes, die dann zu für die Fragestellung wichtigen Kategorien gebündelt werden.

Diese Kategorien erhalten nun wieder Codes - dieses Mal aber auf einem höheren Abstraktionsniveau. Für die Entwicklung von Codes und Kategorien kann man sich folgende Fragen stellen:

  • Was passiert hier?
  • Wer ist beteiligt?
  • Wann und wo ist es passiert?
  • Warum tritt das Phänomen auf?
  • Wozu dient es?
  • Womit lässt es sich ändern?

Darüber hinaus können zu jeder Kategorie noch Unterkategorien gebildet werden.

Beispiele

Hier ein Beispiel aus einem Interview mit einem Consultant: “Die wichtigsten Nachrichten aus meiner Branche hole ich mir eigentlich jeden Tag auf Twitter.

Ein Code hier könnte sein: Informationsbeschaffung.

Ein Beispiel aus einem Interview mit einem langjährigen Mitarbeiters, der gekündigt wurde: “Ja, das musste ich dann einfach so akzeptieren, was hätte ich denn machen sollen.

Ein Code hier könnte sein: Hinnehmen der Veränderung/ kein Handlungsspielraum.

1. Schritt: Offenes Kodieren.

1. Schritt: Datenmaterial wird in Sinneinheiten zergliedert und mit Codes versehen

2. Axiales Kodieren

In diesem Schritt werden die im offenen Kodieren entstandenen Kategorien weiter verfeinert. Hierfür werden die Kategorien ausgewählt, die zur weiteren Verfolgung am vielversprechendsten erscheinen. Diesen Kategorien werden zu Achsenkategorien, denen möglichst viele passende Stellen aus dem Text zugeordnet werden.

Wichtig ist, die Beziehungen zwischen Kategorien und Unterkategorien herauszuarbeiten. Beim axialen Kodieren wird also versucht, gefundene Codes in Beziehung zueinander zu setzen, um Ursachen und Kontext einer untersuchten Situation zu erforschen. Damit findet man zum Beispiel Ursache-Wirkung oder Mittel-Zweck-Relationen.

Beispiel

Ein sehr einfaches Beispiel für eine Ursache-Wirkung Beziehung wäre: Wenn es regnet (Ursache), dann ist die Straße nass (Wirkung).

2. Schritt: Axiales Kodieren.

2. Schritt: Aus den Codes entstehen Kategorien. Codes werden Kategorien zugeordnet.

3. Selektives Kodieren

Beim selektiven Kodieren wird das axiale Kodieren fortgesetzt, nur auf noch höherem Abstraktionsniveau. Es soll eine Kernkategorie herausgearbeitet werden, um die sich alle anderen Kategorien gruppieren lassen. Diese soll einen kurzen Überblick über das gesamte Material geben können. Letztlich soll sich eine zentrale Theorie ausarbeiten lassen, die durch das Material überprüft werden kann.

3. Schritt: Selektives Kodieren.

3. Schritt: Eine Kernkategorie wird herausgearbeitet, der sich alle anderen Kategorien unterordnen.

Anwendung der Grounded Theory im Studium

Neue Theorien zu entwickeln, wie die Grounded Theory es möchte, ist nicht immer einfach. Das muss auch nicht immer der Anspruch für Studierende sein. Genauso wie neue Theorien entstehen können, können auch bestehende Theorien erweitert oder korrigiert werden. Man muss daher nicht immer das Rad ganz neu erfinden.

Häufig gestellte Fragen zur Grounded Theory

🎪 Was versteht man unter Grounded Theory?

Unter Grounded Theory versteht man ein Verfahren zur qualitativen Datenauswertung im Bereich der empirischen Forschung. Bei der Grounded Theory werden durch schrittweise Interpretation von Texten oder Situationen Theorien gebildet. Das Auswertungsverfahren der Grounded Theory heißt theoretisches Kodieren. Dabei werden einzelnen Elementen des zu interpretierenden Texts bestimmte Codes zugeordnet.

☘️ Welche Vorgehensweisen werden in der Grounded Theory Methode angewendet?

Bei der Grounded Theory wird in drei Schritten vorgegangen. Beim offenen Kodieren wird das Datenmaterial in Sinneinheiten zergliedert und mit Codes versehen. Im nächsten Schritt, dem axialen Kodieren, entstehen aus diesen Codes Kategorien. Weiter Codes werden dann diesen Kategorien zugeordnet. Im letzten Schritt, dem selektiven Kodieren, wird eine Kernkategorie herausgearbeitet, der sich alle anderen Kategorien unterordnen.

🍭 Warum sollte man Grounded Theory anwenden?

Qualitative Studien stehen oft in der Kritik, als nicht nachvollziehbar oder überprüfbar, und als subjektiv verzerrt. Das führt dazu, dass sie oft als weniger wissenschaftlich wertvoll eingestuft werden. Um diese Argumente zu entkräftigen, wurden stark regelgeleitete und strukturierte Verfahren entwickelt. Zu diesen Verfahren zählt die Grounded Theory. Man sollte sie anwenden, um eine wissenschaftlich solide und sichere Forschungsarbeit zu leisten.

📒 Was bedeutet axiales Kodieren?

Im axialen Kodieren werden die zuvor im offenen Kodieren entstandenen Kategorien weiter verfeinert. Hierfür werden die Kategorien ausgewählt, die zur weiteren Verfolgung am vielversprechendsten erscheinen. Diesen Kategorien bilden dann Achsenkategorien, denen möglichst viele passende Stellen aus dem Text zugeordnet werden.

🐹 Wer hat die Grounded Theory erfunden?

Die Grounded Theory entstand in den 1960er Jahren in Chicago und wurde von Anselm Strauss und Barney Glaser erfunden. Sie führten medizinsoziologische Studien durch und entwickelten dabei das systematisierte Instrumentarium der Grounded Theory.